Als Menschen leben wir in der widersprüchlichen Diskrepanz zwischen unseren Wunschvorstellungen des eigenen Ichs und unserem tatsächlichen Ich. Gerade diese Widersprüchlichkeit ist es, die mich beim Geschichtenerzählen reizt: Menschen abzubilden, ohne sie zu verurteilen, aber auch ohne ihre Handlungen zu verharmlosen. Ich möchte Fragen stellen, statt Antworten zu geben. Dafür liegt für mich beim Erzählen ein besonderes Augenmerk auf der Lückenhaftigkeit der Form und dem Blick auf das nicht Gesagte, mit dem der Zuschauer einen Reflexionsraum bekommt. Denn jeder Film muss eine Lüge bleiben, da es für einen Filmschaffenden ebenso unmöglich ist, eine gesamtheitliche Wahrheit abzubilden, wie für eine*n Historiker*in. Jedes Faktum ist abhängig von der Perspektive, und am Ende ist es unmöglich auseinanderzuhalten, ob es nicht doch Lügengeschichten oder Fantasien von Menschen waren, mit denen die Historiker*innen unser Bild des Zeitgeistes geprägt haben. Und manche Lügen haben den Zeitgeist vielleicht viel treffender beschrieben, als es jede Aneinanderreihung bloßer Fakten getan hätte.
Björn Grzemba
Alumnus & Regisseur